Reanimationspuppe „Olaf“ ist ein willkommenes Opfer
Artikel und Fotos von Susanne Ullrich (Ostfriesen Zeitung)
Wer früh die Handgriffe dafür trainiert, kann in Krisenlagen helfen. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Beim Jugendwerk in Wittmund wird jetzt an einer lebensgroßen Reanimationspuppe geübt.
Wittmund – Auf den ersten Blick könnte es ein Jugendlicher sein, der da auf dem Boden der Turnhalle in der Wittmunder Gartenstraße liegt. Um ihn herum scharen sich Kinder und Jugendliche, die den Puls am Hals fühlen, die Atmung kontrollieren und schließlich einen sogenannten Stifneck, eine Halskrause zur Stabilisierung der Halswirbelsäule, anlegen. Auf den zweiten Blick wird sichtbar, dass das, was hier so eifrig umsorgt wird, kein Mensch sondern eine lebensgroße Puppe ist. Die Kinder nennen sie „Olaf“.
Der hat im Gegensatz zu seinen „Berufskollegen“, die normalerweise in Erste-Hilfe-Kursen beatmet werden, Arme und Beine. Denn normalerweise komme hier zumeist nur ein Torso zum Einsatz, schildert Jurij Ils, Projektleiter beim Jugendwerk in Wittmund. Diese Reanimationspuppe aber ist lebensgroß, mit Armen und Beinen, und hat einige sehr menschliche Eigenschaften. Daher werde sie von den jungen Ersthelfern auch als Unfallopfer wahrgenommen. So hat „Olaf“ beispielsweise einen Puls – und damit Seltenheitswert. Die Sparkasse Leer-Wittmund hat die Anschaffung für die Ausbildung zukünftiger „Rettungsengel“ in Höhe von insgesamt 3000 Euro mit 2500 Euro unterstützt. Zum Projekthintergrund: Erwachsene, Kinder und Jugendliche sollen an „Olaf“ spielerisch zu Ersthelfern ausgebildet werden und im besten Fall später zu Mitgliedern von Rettungs- und Hilfsorganisationen im Landkreis Wittmund, so das Jugendwerk.
Im Ernstfall helfen können
Ils gibt seit 2013 Erste-Hilfe-Kurse für alle Altersgruppen. So auch immer mittwochs um 17.30 Uhr in der Sporthalle der Gartenstraße in Wittmund. Während ein Teil der Kinder und Jugendlichen hier turnt oder tanzt, versorgen andere geschminkte Wunden oder „Olaf“, der für Unfallszenarien in Position gebracht wird. Natalia legt diesmal zum ersten Mal einen Stifneck an. Die Reanimationspuppe lässt es geduldig geschehen. „Es ist nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt hatte“, meint die Zwölfjährige danach erfreut. Sie sei seit zwei Monaten dabei und lerne immer noch etwas Neues.
„Ich finde es gut, dass man im Ernstfall Leuten helfen kann“, sagt der gleichaltrige Keno. Bislang sei er in seinem Umfeld nur mit kleineren Verletzungen konfrontiert worden. Aber er fühle sich gut auf den Ernstfall vorbereitet. Und vor allem hätten sie viel Spaß bei den Übungen, ergänzt Natalia. Aktuell bremst das Coronavirus vieles aus, was sie sonst miteinander üben würden. Weil bei Erster Hilfe die Einhaltung von Sicherheitsabständen problematisch ist. Auch das ist ein Vorteil von „Olaf“: An ihm darf beatmet und verbunden werden, ohne das dies zu einer Ansteckung führen kann.
Erste Hilfe frühzeitig spielerisch üben
Wer in Krisensituationen einen kühlen Kopf bewahrt, kann anderen helfen. Und dabei spielt das Alter keine Rolle, sagt Ils. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein: „Keiner ist zu klein, um helfen zu können. Im Gegenteil, Kinder lernen in den ersten Jahren schneller als zu jeder anderen Zeit im Leben – das gilt auch für die Erste Hilfe“, schreibt das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Die Hilfsorganisation hat mit dem Jugendrotkreuz (JRK) einen eigenständigen Jugendverband für Mitglieder im Alter von 6 bis 27 Jahren und bietet mit der Lernplattform „Die Allerersten“ gezielt Inhalte für die Kleinsten. Und legen dabei den Fokus auch auf Schutzmaßnahmen, damit Kinder sich beim Helfen nicht selbst gefährden.
DRK und JRK raten zu rechtzeitigem Üben, das spielerisch gestaltet werden kann. „Nehmen Sie Kinder ernst“, fordern sie. Inhalte müssten spielerisch vermittelt werden. Was „die Allerersten“ beim JRK sind, sind beim Jugendwerk „die Rettungsengel“. Ils: „Kinder erinnern sich. Später wird das Helfen Routine sein und sie werden weniger Berührungsängste haben.“